In vielen westlichen Ländern gerät das Christentum zunehmend unter Druck. Ein beträchtlicher Teil der Gesellschaft steht Christen sogar feindlich gegenüber. Wenn Christen beispielsweise für das Recht auf Leben ungeborener Kinder demonstrieren, ist das nur unter Polizeischutz möglich, weil sofort Gegendemonstranten mit militanten Aktionen versuchen, sie mundtot zu machen. Kirchenvertreter, die öffentlich Ansichten äussern, die nicht dem Zeitgeist entsprechen, werden in den sozialen Medien verspottet und diffamiert. Antichristliche Aktionen kennen kaum noch Tabus. Eine Schweizer Politikerin schoss auf ein Jesusbild und teilte die Fotos stolz auf Instagram. Bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris waren religiöse Symbole streng verboten. Ein brasilianischer Surfer musste das Jesusbild von seinem Surfbrett entfernen, um nicht von den Wettkämpfen ausgeschlossen zu werden. Gleichzeitig war es jedoch erlaubt, die christliche Religion während der Eröffnungsfeier öffentlich zu verspotten. Das Bekennen des christlichen Glaubens will man verbieten, während das Missionieren gegen den Glauben offenbar akzeptiert wird.
Einst verfolgt, dann anerkannt und jetzt wieder erniedrigt
Im Beginn ihrer Geschichte wurden Christen als fanatische Sekte angesehen, verleumdet und verfolgt. Im Laufe der Zeit erlangten sie jedoch gesellschaftliche Anerkennung und oft auch Macht – nicht immer zum Wohle aller. Bis vor einigen Jahrzehnten wurden Christen zwar oft als konservativ und weltfremd verspottet, genossen aber Respekt als anständige Mitglieder der Gesellschaft. Heute halten sie weiterhin an ihren über zweitausend Jahre alten Wahrheiten fest, die tief in historischen Ereignissen verwurzelt sind. Obwohl sie in dieser Welt leben, sind ihre Überzeugungen oft nicht im Einklang mit dem Zeitgeist (Joh 17).
Mittlerweile erinnert die gesellschaftliche Position der Christen wieder an ihre Anfänge im Römischen Reich vor 2000 Jahren. Sie werden als bedrohliche Gruppe wahrgenommen, die den gesellschaftlichen Fortschritt hemmt. Man versucht sie deshalb in der Rede- und Religionsfreiheit einzuschränken. Wenn dies nicht gelingt, werden sie in die gleiche Kategorie wie Rassisten, Unterdrücker, Kolonialisten, Chauvinisten, Homophobe und Fortschrittsbremser eingeordnet und geächtet.
Die LGBTQ+-Community fordert mehr als Toleranz
Wenn Dragqueens bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele eine Szene nachspielen, die an das letzte Abendmahl erinnert, geht es nicht darum, eine Diskussion über unterschiedliche Ansichten zu fördern – unabhängig davon, ob man zustimmt oder nicht. Auch der Wunsch nach mehr Toleranz gegenüber LGBTQ+-Menschen steht nicht im Vordergrund. Diese Darstellung zielt ebenfalls nicht darauf ab, zu zeigen, dass Jesus mit LGBTQ+-Personen gegessen und getrunken hätte.
Die Absicht ist eine andere: Für die LGBTQ+-Community ist blosse Toleranz nicht genug. Sie wollen mehr. Ihr Ziel ist es, diejenigen, die ihren Lebensstil nicht ausdrücklich befürworten oder fördern, auszugrenzen, zu verhöhnen und zu unterdrücken. Denn jemand, der nur tolerant ist, muss den LGBTQ+-Lebensstil nicht zwingend gutheissen.
Die Botschaft der Dragqueens an die Adresse der Christen
Sicher, Jesus hätte sich selbstverständlich auch mit Dragqueens an den Tisch gesetzt und mit ihnen gegessen. Jesus hatte keine Scheu, sich mit allen möglichen Menschen zu umgeben, auch mit denen, die in der Bibel als Gotteslästerer oder Sünder bezeichnet werden. Aber das war mit Sicherheit nicht die Botschaft, die die Macher der Szene vermitteln wollten. Die Jesusdarstellerin ist eine in Frankreich bekannte LGBTQ+-Aktivistin. Es wirkt naiv, wenn Christen denken, dass sie nur gute und bildende Absichten hat. Ihr Kampf ist nicht für mehr Toleranz oder für Rede- und Religionsfreiheit, sondern gegen die Christen, die sie als ihre Feinde betrachtet und für die sie nur Spott und Hohn übrighat. Daher werden in der Szene nicht nur die Apostel als Dragqueens dargestellt, sondern auch Jesus selbst.
Christen argumentieren nicht nur mit der Bibel, sondern auch mit dem Naturrecht. Sie weisen darauf hin, dass Menschen nicht nur in psychologischen Begriffen definiert werden können, sondern auch in ihrer biologischen Binarität von Mann und Frau. Damit verstehen sie das biologische Geschlecht nicht als ein von der Gesellschaft gemachtes Konstrukt, das bei der Geburt künstlich zugewiesen wird und vom sozialen Geschlecht getrennt werden muss. Für die LGBTQ+-Bewegung gilt diese Sichtweise jedoch nicht nur als rückwärtsgewandt, engstirnig, irrational und fanatisch, sondern als Bedrohung für die westliche Gesellschaft, die bekämpft und schnellstmöglich eliminiert werden muss. Das ist die eigentliche Botschaft der Theaterszene von Paris.
Die Botschaft des Christus für Dragqueens
Die Botschaft des Christus für Dragqueens würde anders lauten: „Woher kommt euer Hass? Ich bin nicht euer Feind. Ich hasse euch nicht. Vielmehr findet ihr bei mir das, wonach ihr sucht: Liebe, Annahme, Respekt, Vergebung und Freiheit. Eure jetzige Identität definiert ihr durch euren Lebensstil. Dieser wird zu eurer eigentlichen Identität. Doch er versklavt euch und raubt euch jede Willensfreiheit. Wahre Freiheit und echte Identität findet ihr in mir und durch mich. Wenn ihr dies akzeptiert, werdet ihr erkennen, dass nicht jeder Lebensstil richtig ist und den Menschen guttut, sondern nur das, was Gott als der Schöpfer der Menschen für hilfreich und gut erklärt.“
Die andere Perspektive
LGBTQ+-Menschen identifizieren sich durch ihre sexuelle Orientierung. Wer ihren Lebensstil infrage stellt, greift daher nicht nur eine Lebensweise an, sondern ihre gesamte Identität als schwuler, lesbischer, trans-, bisexueller oder queerer Mensch. Damit wird ihr Menschsein infrage gestellt und nicht nur ihre Lebensweise. Verständlich, dass aus dieser Sichtweise psychische Verletzungen entstehen können. Betrachten wir nun aber das Ganze von der anderen Seite. Sollte sich die LGBTQ+-Community nicht fragen, ob sie die Gefühle von Christen tief verletzt? Christen identifizieren sich vollständig mit Christus. „Christus in mir und ich in Christus“ lautet die alte christliche Überzeugung (Joh 14,20). Szenen wie die bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris führen daher nicht nur zur Diskriminierung und Verspottung der Christen, sondern greifen deren wesentliche Identität an.
Ausgerechnet die LGBTQ+-Community, die eine rigorose staatliche Sprachüberwachung fordert (Genderismus), um ihre Ideologie zu schützen, nutzt die staatlich garantierten Freiheiten (künstlerische Freiheit und die Redefreiheit), die sie anderen Weltanschauungen verweigern will, um Hass und Verachtung ungestraft zu äussern und Christen zu verhöhnen, zu beleidigen und zu verletzen. Die Rede- und Religionsfreiheit gerät in Europa – und ausgerechnet in Frankreich, das sich einst als Vorreiter dieser Errungenschaften pries – einseitig unter Druck. Während im letzten Jahrhundert kommunistische und faschistische totalitäre Regime ihre Sichtweise mit gleichgeschalteter Information und Zensur durchsetzten und Andersdenkende mit Hass und Diffamierungen überschütteten, erleben wir heute eine ähnliche Tendenz in einer Gesellschaft, die dem Christentum feindlich gegenübersteht. Christen in westlichen Staaten müssen offensichtlich damit rechnen, wieder verfolgt zu werden – eine Tatsache, die in der 2000-jährigen Geschichte des Christentums allerdings fast schon normal ist (siehe 1 Petr 4,12; Mt 5,11-12).
Gewinn durch Verlust
In den frühen Jahrhunderten haben Christen verstanden, dass scheinbare Verluste tatsächlich Gewinne sind. Der Kirchenvater Lactantius erklärte, dass Verfolgung die Zahl der Gläubigen erhöht. Menschen fragen dann neugierig, was so wertvoll ist, dass es bis zum Tod verteidigt wird. Sie hören Christen bekennen, dass sie einen lebendigen Gott verehren und nehmen diese Wahrheit an. Sein Urteil über die römischen Behörden kann uns auch heute noch im Umgang mit Widerstand leiten:
„Versuchen sie uns durch Reden oder durch irgendeine Art von Argumenten zu zwingen? Ganz und gar nicht: Sie wenden Gewalt und Folter an. Aber Anbetung kann man nicht erzwingen; sie ist etwas, das man eher durch Gespräche als durch Schläge erreicht. Wenn ihre Argumente stichhaltig sind, sollen sie sie vorbringen! Wenn sie von ihrer Wahrheit überzeugt sind, sollen sie sie uns beibringen, sollen sie sich mit uns auf eine solche Debatte einlassen. Die Religion muss nicht durch Töten, sondern durch Sterben verteidigt werden, nicht durch Gewalt, sondern durch Ausharren.“
Eine alberne Parodie des letzten Abendmahls ist kein Argument gegen den christlichen Glauben. Das Christentum wird davon nicht zu Fall gebracht, genauso wenig wie durch Verbote oder Verfolgung. Jesus hat versprochen, dass selbst das Totenreich die Kirche nicht überwältigen kann (Mt 16,18). Gottes Reich wächst unaufhaltsam, und das nicht, weil Christen immer perfekte Evangelisten oder vorbildliche Nachfolger von Jesus sind. Viel zu oft geben wir ein schlechtes Bild ab und verkünden das Evangelium nur halbherzig und unbeholfen. Die Kirche wächst, weil Gott selbst den Menschen die Augen öffnet, damit sie die strahlende Wahrheit des Evangeliums erkennen (2Kor 4,4-6). Wenn Christus sein ewiges Reich errichtet, wird von den Reichen dieser Welt nichts mehr übrig sein, denn Gottes Reich wird die ganze Erde bedecken (Dan 2,35.44-45). Dieses Versprechen gibt Christen Zuversicht, auch wenn es oft schlecht für sie läuft. Sie verteidigen ihren Glauben nicht durch Gewalt, sondern durch Geduld und Standhaftigkeit.
Ein Grund, warum sich die Aktion in Paris oder die der Schweizer Politikerin gegen christliche und nicht gegen islamische Symbole richtete, ist sicherlich auch, dass die Reaktion auf eine solche Provokation mit islamischen Symbolen wohl nicht gewaltfrei ausgefallen wäre.
Der Beitrag erinnert mich u.a. an die Bergpredigt von Jesus (Matthäus, 5, 11). Das ist zum Danken!
Vielen Dank, Felix, für Deinen ausführllchen und hochaktuellen Beitrag. Er ist mir eine grosse Hilfe zum Verstehen unserer Zeit mit ihren antichristlichen Strömungen
Sehr gute, tiefgründige Analyse. Eben auch mit Rückblick auf die Kirchengeschichte. Hat mich in meinem Verstehen weitergebracht. Im Ausharren gewisser Dinge bestärkt.