Mit dieser Frage beschäftigen wir uns am Seminar für biblische Theologie regelmässig. Sollen wir uns dem allgemeinen Trend zur Akademisierung evangelikaler Ausbildung anschliessen? Sind nur hochgebildete Theologen gute Verkündiger des Evangeliums? Setzt Gott einen bestimmten Intelligenzquotienten voraus für seine Mitarbeiter im Gemeinde- und Missionsdienst? Wenn die Studierenden wie bei uns völlig unterschiedliche Vorbildungen mitbringen − vom Hochschuldiplom bis zur Berufslehre −, dann müssen wir Antworten finden.
Theologische Ausbildung soll fundiert und biblisch sein
Jemand drückte das Verhältnis von Glauben und Theologie so aus: «Der Glaube bewahrt die Theologie vor Verweltlichung. Die Theologie bewahrt den Glauben vor Sektiererei und Oberflächlichkeit.» Wer meint, die Bibel ohne exegetische Methodik studieren zu können, landet schnell in sektiererischen Ansichten oder einer reinen Gefühls- und Erlebnisreligion. Die Gemeinde Jesu braucht fähige Leute, die Gottes Wort mit den besten philologischen Methoden auslegen können. Sie braucht Leute, die anhand des Wortes Gottes die Fragen der Gläubigen theologisch begründet beantworten. Eine gute theologische Ausbildung beschäftigt sich deshalb vornehmlich mit der Bibel. Wir finden die Lösungen unserer Probleme nicht in der Philosophie, sondern in der Heiligen Schrift. Oder anders gesagt: Die Bibel gibt Antworten auf die philosophischen Fragen der Menschen und nicht die Philosophie auf die Fragen der Bibel! Die Reformatoren erkannten besonders in der Bibelauslegung das wirkungsvollste Hilfsmittel für die Verbreitung des Evangeliums. Calvins erste Anstellung an seiner Genfer Akademie war deshalb die eines «Dozenten für die Bibel», so die damalige Bezeichnung für einen Dozenten, der für alle biblischen Unterrichtsthemen zuständig war.
Theologie muss der Praxis dienen
Calvins Akademie hatte ein praktisches Ziel: Sie bildete Hirten für die Gemeinden aus und nicht Theologen um der Theologie willen. Wenn theologische Ausbildung nur noch wilden Spekulationen, aberwitzigen Streitfragen und dogmatischen Finessen ohne Leben dient, dann hat sie keine Daseinsberechtigung mehr. Akademische Ausbildung ohne Praxis richtet enormen Schaden in der Gemeinde Jesu an. Wenn Theologen denken, sie könnten alles mit dem Verstand ergründen und müssten auf jede Frage eine Antwort haben, sollten sie sich an das Pauluswort erinnern, «dass niemand mehr von sich halte, als sich’s gebührt zu halten» (Römer 12,3). Ja, theologische Ausbildung muss gründlich und ausgewogen sein. Aber Gottes Geist ist nicht auf die geistreichen Worte der Akademiker angewiesen. Vielmehr braucht er Menschen, die in einfachen und verständlichen Worten die Relevanz der Bibel fürs tägliche Leben erklären − und die vor allem leben, was sie predigen. Das ist wahrscheinlich für den Durchschnittsbegabten weniger kompliziert als für manch einen hochdotierten Theologen. Der Psychiater, Theologe und Bestsellerautor Manfred Lütz schreibt zutreffend: «Der christliche Glaube ist in seinem wesentlichen Kern für das alte Mütterchen wohl einfacher zu verstehen und als Nachfolge Christi zu leben als für manche pseudointellektuelle Neunmalgescheite, die zwar intelligent, aber nicht klug sind, zwar viel wissen wollen, aber nie Gewissheit erlangen, zwar manches kennen, aber sich zu nichts bekennen.»