«Unser Wissen ist Stückwerk» (1. Korintherbrief 13,9)
Neulich las ich den Bericht eines Journalisten, der in einem Jahr die gesamte Encyclopaedia Britannica von A bis Z durchgelesen hat. Mit dem immensen Wissen von 44 Millionen Wörtern auf 33 Tausend Seiten geht er zur Fernseh-Quizsendung «Wer wird Millionär». Trotz grosser Nervosität kommt er gut voran, hakt eine Frage nach der anderen souverän ab. Voller Stolz blickt er schon der 32‘000-Dollar-Frage entgegen. Da erscheint sie auch schon auf dem Monitor: Welcher Bestandteil des Blutes wird auch Erythrozyt genannt? Trotz seiner Lexikonlektüre hat der Kandidat keine Ahnung. Aber eigentlich kann nichts passieren, denn ihm zur Seite steht ein Telefonjoker, der es auf jeden Fall wissen muss. Doch ausgerechnet ein in Harvard promovierter Biochemiker muss auch passen. Der Journalist verpulvert seinen letzten Joker. Zwei falsche Antworten werden gestrichen. Es bleiben noch Blutserum und rote Blutkörperchen. Dummerweise entscheidet er sich für das Serum, weil er sich schlicht nicht vorstellen kann, dass er diesen wissenschaftlichen Begriff für rote Blutkörperchen noch nie gehört hat. Mit seiner falschen Antwort fällt er von 32‘000 auf 1000 Dollar zurück. Ich lese meiner Frau diese Geschichte vor und frage sie anschliessend, ob sie wisse, was Erythrozyten seien. Noch bevor ich ihr die vier möglichen Antworten vorlegen kann, antwortet sie wie aus der Pistole geschossen: «Das sind rote Blutkörperchen!» Wow! Jetzt bin ich aber platt. Da hat einer das gesammelte Wissen der Welt studiert, da weiss ein Experte in Biochemie nicht Bescheid, aber meine Elvira denkt keine Sekunde nach und weiss die Antwort. Für mich der endgültige Beweis: Niemand kann alles wissen. Selbst der Spezialist oder der letzte Universalgelehrte hat seine Lücken. Aber irgendwo auf dieser Erde gibt es Menschen, die gerade diese Wissenslücke ergänzen. Fazit:
Wir ergänzen einander
Das ist ein Thema der Bibel, das sich von vorne bis hinten durchzieht. Gott hält nichts von unserem postmodernen Fetisch, der sich Individualismus nennt. Nach dem Motto: Ich komme alleine zurecht; ich bin mir selber Richtschnur. Die Heilige Schrift betont dagegen stets das Kollektiv, auch und gerade wenn es darum geht, die Botschaft der Bibel zu verstehen. Nur gemeinsam wachsen wir in der Erkenntnis. Das steht quer zur Überzeugung der immer zahlreicher werdenden modernen Eremiten, die sich zwar nicht in die Wüste, dafür weg von ihren Gemeinden in die eigenen vier Wände zurückziehen. Es widerlegt all jene, die meinen reden zu müssen als letztgültige Experteninstanz für die Erkenntnis Gottes. Selbst wenn sie Experten sein sollten: sie haben Lücken wie alle anderen. Wer sich dessen nicht bewusst ist, fällt bei der entscheidenden Frage auf Null zurück. Leute, die einsam unterwegs sind, sich nicht mehr korrigieren lassen, gründen höchstens Sekten. Dem Leib Christi dienen sie nicht.