Studien zeigen einen bemerkenswerten Zusammenhang von Ausbildung und Gemeindewachstum. Bei den schnell wachsenden Kirchen verfügen nicht wenige Pastoren über keine theologische Ausbildung, während die meisten Pastoren in stagnierenden Gemeinden einen hohen theologischen Abschluss besitzen. Solche Debatten fordern uns als theologische Ausbildungsstätte heraus. Qualifiziert ein Theologiestudium nicht für den Gemeindedienst? Vernichtet die theologische Ausbildung die Kreativität in der Verkündigung oder sogar die Begeisterung für Jesus?
Pastor oder Manager?
Eine theologische Ausbildung führt leider nicht automatisch zu positiven Resultaten. Statt einen christlichen Charakter zu fördern, nützliche Dienstkompetenzen zu vermitteln, Liebe zu Gott und seinem Wort sowie Begeisterung für die Gemeinde zu entfachen, kann sie auch nur eine Verliebtheit in akademisches Forschen und das Beschäftigen mit für unser Leben irrelevanten Fragen auslösen. Diese Gefahr dürfen wir nicht verharmlosen. Aus diesem Grund müssen wir unsere Ausbildung einem ständigen Praxis-Stresstest unterziehen. Dennoch sollten wir auch die Gemeindewachstumsstrategien der letzten 40 Jahren kritisch hinterfragen. Viele Gläubige klagen, dass ihre Kirche wie eine Firma geführt wird. Der Pastor amtet als CEO, die Gemeindeleitung als Verwaltungsrat und die Gottesdienstbesucher sind die Kunden, die mit marketing-ähnlichen Methoden wieder neue Kunden gewinnen und so für ein kontinuierliches Wachstum sorgen sollen. Damit der Erfolg der Gemeinden garantiert ist, halten diese heute weniger Ausschau nach theologisch gut ausgebildeten Pastoren, sondern nach gewieften Managern oder Leadern, wie man auf Neudeutsch sagt. Entsprechend wurden auch die Lehrpläne an vielen theologischen Ausbildungsstätten angepasst. Gefragt sind vor allem Führungskompetenz, Organisationstalent, Marketing und dergleichen.
An die Zukunft denken
Wenn Pastoren nur noch das mengenmässige Wachstum vor Augen haben und in den Bekehrten ihren persönlichen Profit sehen, dann verfolgen sie meist nur noch kurzfristigen Erfolg versprechende Ziele. Wie Mastvieh mit Kraftfutter werden die Gläubigen vollgestopft mit Ideen, Strategien und 12-Punkte-Plänen. Anstatt die Schafe geduldig auf grünen Wiesen zu weiden und zu frischem Wasser zu führen, serviert man ihnen Fruchtgummis, Lollipops und Zuckerwatte als Hauptspeise und treibt sie gleichzeitig mit eisernem Stab von einem Programm zum nächsten, bis sie völlig unterernährt, ausgebrannt und kränklich liegenbleiben. Der Hirte wurde vom Viehmäster abgelöst. Weil dann der langfristige Erfolg ausfällt, verschwinden die Leader nach kurzer Zeit wieder und überlassen die Schafe ihrem Schicksal. Leadership steht nicht gerade an prominenter Stelle in der Bibel; jedenfalls hat der Begriff nicht das Gewicht, das wir ihm heute beimessen. Dafür ein ganz anders Konzept: Dienen. Wenn wir nicht umdenken, werden wir in Zukunft über das ganze Land zerstreute Schafe haben, nach denen niemand fragt und die niemand sucht (Hesekiel 34,6). Wer die Schwachen stärken, die Kranken heilen, die Gebrochenen verbinden, die Versprengten zurückholen und die Verlorenen suchen will, braucht viel Geduld, aber vor allem eine dienende Haltung. Und eine gesunde theologische Ausbildung erlaubt es zusätzlich, die Schafe zu den saftigen Weiden und frischen Wassern der Erkenntnis Gottes zu führen, anstatt sie mit Floskeln und menschlichen Ansichten abzuspeisen.