«Kaum hatte er die Vision gehabt, setzten wir alles daran, nach Makedonien hinüberzugelangen, in der Überzeugung, dass Gott uns gerufen hatte, den Menschen dort das Evangelium zu verkündigen» (Apostelgeschichte 16,10).
Die Berufsberatung Schweiz beschreibt auf ihrer Homepage mehr als 2’600 Berufe. Diese riesige Auswahl lässt junge Menschen bei ihrer Suche nach dem richtigen Beruf fast verzweifeln. Zumindest einige Christen wünschten sich deshalb eine ebenso deutliche himmlische Berufung wie sie Paulus vor 2000 Jahren erlebte. Doch «Berufung» bzw. «berufen» sind ziemlich verstaubte Begriffe. Wer heute einen bestimmten Beruf ausübt, nennt dies Job, Arbeit oder Tätigkeit. Mit göttlicher Berufung bringen das – im Gegensatz zum Mittelalter – die wenigsten in Verbindung. In einer Zeit, in der wir uns alles nach unseren individuellen Wünschen einrichten und Gott sich bei unseren persönlichen Lebensentwürfen vornehm heraushalten soll, ist das Thema Berufung praktisch bedeutungslos geworden.
Berufung als besonderer Auftrag Gottes
In der Bibel entdecken wird jedoch jene besondere Bestimmung Gottes zu einem speziellen Dienst. Zugegeben, Gott lockt nicht mit angenehmen Arbeitsbedingungen, auch nicht mit einem wohlhabenden Leben. Die Berufung nach Europa brachte Paulus nicht einen TV-Auftritt vor Millionenpublikum, sondern die römischen Folterknechte; keinen Aufenthalt im 5-Sterne-Hotel, sondern im Gefängnis. Paulus wurde nicht zum Ehrenbürger ernannt, sondern aus den Städten vertrieben. Als er schliesslich die Metropole Athen erreichte, gründete er nicht eine Mega-Church mit 10’000 Konvertiten, sondern erntete Spott und Hohn. Wer immer Gott mit Hirn und Händen dient, sammelt kaum menschliche Anerkennung, wenig materielle Vergnügungen, noch nicht einmal ein gesundes und langes Leben ist ihm garantiert. Und doch gibt es nichts, was mehr befriedigt, als das zu tun, wozu Gott einen bestimmt und begabt hat. Paulus erlebte in Europa neben allem Ärger und Stress, wie Menschen durch Christus neue Hoffnung schöpften und wie ihr Leben durch den Heiligen Geist umgestaltet wurde.
Temporäre Berufung?
Nur noch selten arbeitet jemand sein Leben lang im ursprünglich erlernten Beruf. Wer im Job als Bankkaufmann keine Befriedigung mehr findet, wird halt Sportlehrer oder versucht sich als Weinproduzent. Man wechselt nicht nur den Arbeitgeber alle paar Jahre, sondern sucht auch bei der Tätigkeit die Abwechslung. So setzt sich das Konzept Temporär-Beruf(ung) auch im geistlichen Bereich durch. Aber liegen wir damit theologisch richtig oder haben wir uns nur vom Zeitgeist leiten lassen? Quittieren deshalb so viele junge Pastoren und Missionare ihren Dienst, weil sie die Berufung falsch verstehen? Paulus stellt in seinen Ausführungen über die Geistesgaben offenbar einen Zusammenhang von Beruf und Berufung her. So spricht er beispielsweise von Aposteln, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrern. Die Berufung wird zum Beruf und damit wie bei ihm zu einer lebenslangen Aufgabe im Reich Gottes.
Firmenchefs klagen manchmal, dass ihnen die Lust abhandengekommen ist, junge Menschen auszubilden, weil viele nicht in ihrem Beruf bleiben. Uns geht das ähnlich. Wenn unsere Absolventen nichts mit ihrer Ausbildung anfangen, schmerzt das. Doch wenn sie ihre Bestimmung leben und ihre Gaben einbringen, egal ob ehrenamtlich oder vollzeitlich, dann hat sich jeder Aufwand gelohnt!