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WIE EIN KLEINES GERÄT MIT 14 ZENTIMETERN IN DER DIAGONALEN UNSER LEBEN VERÄNDERT

Davon träumten Missionare vor 100 Jahren: Eine Bibliothek mit Tausenden von Büchern, aber lediglich 174 Gramm schwer. Im Gepäck bleibt für die Reise in ferne Länder Platz für anderes. Nur einen Fingertipp entfernt hebräische und griechische Bibelausgaben mit textkritischem Apparat, Bibelübersetzungen in allen möglichen Sprachen, Wörterbücher mit Erklärungen der griechischen oder hebräischen Begriffe, unzählige wissenschaftliche Kommentare und andere theologische Literatur. In einer Zeit, wo der Zugriff aufs Internet im hintersten Winkel der Erde möglich ist, bedeutet das Smartphone und mit ihm die gesamte technische Entwicklung der letzten 20 Jahre einen gewaltigen Fortschritt. 

Homo smartphonicus

Das Smartphone macht unser Leben bequemer, es verändert aber auch unser Denken und Handeln, ja, sogar unsere Körperhaltung. Egal wo wir Menschen heute antreffen, ob im Zug, im Wartezimmer des Arztes, im Restaurant und selbst beim Gehen: Alle starren wie besessen auf diese 6 x 13 cm und bewegen ihre Daumen wie wild über den Bildschirm. Käme mein in den 60er-Jahren verstorbener Grossvater zurück auf diese Erde, fiele ihm vor allem unser neuer Körpergang auf. Er spräche kaum vom homo erectus, dem aufrecht gehenden Menschen, sondern vom vornübergebeugten, auf den Bildschirm stierenden und Daumen verrenkenden homo smartphonicus. Dabei verändert das Smartphone nicht nur unsere körperliche Haltung, es prägt uns auch mental. 

Wissen als appetitliche Häppchen

Nein, dieses Gerät macht uns nicht dumm. Ganz im Gegenteil. Das Wissen der Welt wird uns jederzeit bildschirmgerecht serviert. Was immer wir erfahren wollen: Google, Wikipedia und schlaue Apps liefern es in Sekundenfrist. Wer immer Mist labbert, kann quasi in Echtzeit korrigiert werden. Wir brauchen bei Diskussionen nicht mehr alles zu glauben oder unwissend zu bleiben, denn wir können unsere Informations-Lücken sofort schliessen. 

Aber das Smartphone animiert uns, das Wissen nur noch in kleinen Häppchen, gewissermassen als mundgerechte Appetizer zu geniessen. Wissen muss kurz und unterhaltsam vermittelt werden, wenn es beachtet werden soll. Wer liest noch einem Schmöker von mehreren Hundert Seiten oder wühlt sich durch eine kiloschwere wissenschaftliche Monografie, wenn uns YouTube die Frage in drei Minuten erklärt? 

Dabei geht etwas Zentrales im Lernverhalten verloren: Wir verlieren die Zusammenhänge. Wir sehen nur noch einzelne Puzzlestücke, aber kaum mehr das ganze Bild. Die Welt scheint sehr simpel zu sein. Christen praktizieren diese Lernmethode selbst beim Bibellesen. Biblische Texte werden selten im Zusammenhang und schon gar nicht mehr von vorne bis hinten gelesen. Beliebt sind dagegen Tagesorakel in Form von auserlesenen, anregenden kurzen Versen. Wenn etwas unsere Aufmerksamkeit wecken soll, dann muss es auch hier unterhaltsam sein. Werbeprofis warnen: Wer es nicht schafft, das Publikum in den ersten zwei Sekunden zu fesseln, hat schon verloren. Die Zuschauer zappen gelangweilt zum nächsten Clip. Diese Form von Wissensvermittlung macht auch vor unseren Kirchen nicht halt. Immer mehr Pastoren klagen: «Ich habe es satt, ständig den Comedian der Gemeinde zu spielen, der in jeder Minute versuchen muss, die Spannung aufrechtzuerhalten und dafür zu sorgen hat, dass das Publikum auch am nächsten Sonntag erscheint!» Der eigentliche theologische Inhalt, der uns zum Denken herausfordert, weicht den Elementen der Unterhaltung. Die Kanzel hat der Showbühne Platz gemacht. Welche Auswirkungen das für die Kirche haben wird, wird die Zukunft zeigen. 

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