«Verstehst du, was du da liest?» (Apostelgeschichte 8,30).
Manche Menschen mögen es gerne simpel. Kurznachrichten werden gelesen und verbreiten sich mit Hilfe von digitalen Medien blitzschnell. Wer in zwei Minuten, möglichst mit visuellen Mitteln unterstützt, unterhaltsam erklärt, was genau das Coronavirus ist, woher es stammt und wie gefährlich es ist, hat die Nase weit vorn im Nachrichtenbusiness. Aber eine vereinfachte Berichterstattung ist nicht präzis und in vielen Fällen sehr einseitig oder falsch. In den Medien versuchen Experten komplexe Fragen so einfach wie möglich zu erklären, sodass alle verstehen, worum es geht. Aber der Weg zu einem gründlichen Verständnis ist lang, steinig und schmal, zudem beansprucht er viel Zeit.
Simpel, aber falsch
Wir mögen es lieber einfach. Nicht nur in den Nachrichten, sondern grundsätzlich und überall. Je unkomplizierter eine App, je einfacher ein Gerät, desto besser. Die Welt wird uns seit Jahren im Dreiminutentakt amüsant und simpel erklärt. Einsteins Relativitätstheorie in drei Minuten, Karl Marx’ «Das Kapital» in drei Minuten. Die Masse wählt lieber die Autobahn der Simplizität. Die aber führt an den Rand einer gefährlichen Klippe. Es droht der Absturz in die Ignoranz. Die Bibel in drei Minuten? Nein! Auch im christlichen Glauben gilt: Einfach ist ungenau oder falsch. Um die Bibel zu verstehen, müssen wir uns anstrengen – und vielleicht brauchen wir dabei auch Unterstützung. Der gebildete äthiopische Hofbeamte reagierte jedenfalls nicht beleidigt, als Philippus ihn fragte, ob der denn auch verstehe, was er in der hebräischen Bibel lese. Seine Antwort: «Wie könnte ich, wenn niemand mich anleitet?» Damit beweist er Bescheidenheit und Intelligenz. Heute heisst es hingegen: «Das verstehen wir ganz gut ohne Anleitung!» Kirchenbesucher wünschen sich höchstens noch eine viertelstündige, oberflächliche und mit viel Unterhaltung gespickte Motivationsrede, ein paar simple Tipps, wie sie das Leben besser meistern können. Lehrgefässe, wo die Bibel ausgelegt und Theologie vermittelt wird, entsprechen nicht dem, was vielen Ohren schmeichelt, denn diese verschliessen sich bekanntlich gern dem Ärgernis des Evangeliums. Das persönliche Bibelstudium tendiert gegen null und christliche Literatur wird meist nur noch in Form von Romanen gelesen. Viele Christen haben das Hungergefühl leider nur noch im Magen und nicht im Kopf.
Wer verstehen will, muss sich anstrengen
Klar, die Bibel soll so einfach wie möglich erklärt werden, Theologie muss für alle verständlich sein. Aber vereinfachen kann nur, wer eine Sache durch und durch verstanden hat. Wünschen wir uns theologische Kompetenz und wollen wir Konzepte wie Sühne, Rechtfertigung, Vergebung, aber selbst Gnade oder Jesusnachfolge richtig verstehen, müssen wir – wie übrigens in jedem Wissensbereich – Zeit investieren, viel lesen, unser Hirn einschalten und auch die Unterstützung von Spezialisten in Anspruch nehmen. Wer dagegen auf Simplizität setzt, wird einseitig und schliesslich engstirnig. Eine solche Haltung finden wir beispielsweise in Diskussionen um das Coronavirus, den Genderismus, das Klima und vielen anderen Bereichen. Da werden Behauptungen aufgestellt, die keinesfalls hinterfragt werden dürfen. Wissenschaftlich ist das nicht, denn die Aufgabe der Wissenschaftler besteht darin, offene Fragen möglichst gut zu klären und Antworten kritisch zu hinterfragen. Der christliche Glauben braucht sich vor kritischen Fragen nicht zu fürchten, solange er nicht lediglich als Bauchgefühl definiert wird. Doch genau das passiert durch eine simplizistische Verkündigung, die mehr auf Unterhaltung als auf Inhalte setzt. Die leidige Konsequenz: Wer nichts weiss, glaubt schliesslich alles. Der Abschied von den gut begründeten Dogmen des historischen Christentums und die Vermarktung von Ideen, die dem Zeugnis der Bibel krass widersprechen, sind traurige Zeuge davon. Es ist an der Zeit, sich stark zu machen für die Vermittlung von biblisch-theologischen Inhalten!