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KÄMPFST DU NOCH ODER BIST DU SCHON AM ZIEL?

In meiner Post entdecke ich eine Einladung für eine christliche Konferenz, die für ein eher älteres Publikum geplant ist. Auf dem Flyer sind auch die Lieder abgedruckt, die während der Veranstaltung gesungen werden. Es sind Lieder, die in den 60er- und 70er-Jahren angesagt waren und zu den damaligen christlichen «Schlagern» gehörten. Die meisten Melodien sind mir nicht bekannt, die Texte bedeuten jedoch eine Offenbarung für mich. Hier sind die Christen noch nicht jubelnd am Ziel, vielmehr kämpfen und leiden sie, gerade weil sie zu Christus gehören. So lese ich zum Beispiel: «Ich hab einen herrlichen König … ich folg seiner siegenden Fahne und geht’s auch durch Schmerzen und Schmach.» 

Ecclesia militans – die kämpfende Kirche

Der Unterschied zu den meisten Anbetungsliedern der Gegenwart ist erstaunlich: Während heute – zumindest in der westlichen Welt – der Fokus auf der Anbetung Gottes und dem herrlichen Ziel des Glaubenslebens liegt, die Sängerinnen und Sänger sich quasi schon im Himmel befinden, betonen unsere Vorfahren oder Christen anderer Kulturen bei der Jesusnachfolge den Kampf. Im jeweiligen Liedgut spiegeln sich offensichtlich die Lebensumstände der Christen. Wer sich guter Gesundheit rühmen und Wohlstand geniessen darf, wähnt sich schon halb im Himmel und dichtet entsprechende Liedtexte. Ganz anders Christen, die unterdrückt, ausgenutzt und verfolgt werden. Sie verstehen das Leben auf dieser Erde als Glaubensprüfung mit Entbehrungen und Leiden. Eindrücklich finden wir das im 19. Jahrhundert in den Gospelsongs der Sklaven Amerikas. Sie sehnten sich nach der himmlischen Herrlichkeit mitten in irdischen Qualen. Sie wussten: Noch ist es eine leidende, kämpfende und hoffende Kirche. Noch gehört die Sünde zu unserem alltäglichen Leben, ebenso wie Krankheit, Leid und Tod. Das Vollkommene steht noch bevor, die Ziellinie ist noch nicht überschritten. Diese Tatsache drückt auch ein weiterer Liedtext aus, den ich auf der Einladung finde: «Den Müden und Versagenden hinieden, rings von Untergang bedroht, bringt er den lang ersehnten Himmelsfrieden und erlöst von Sünd und Tod.»

Ecclesia triumphans – die siegreiche Kirche

Jesus nachfolgen mit Not, Schmerzen, Verlust und Tod ist in den letzten Jahren in unseren Breitengraden fast in Vergessenheit geraten. Alte Kirchenlieder wie «Geduld ist euch vonnöten, wenn Sorge, Gram und Schmerz, und was euch mehr will töten, euch schneidet in das Herz» (Paul Gerhardt) oder «Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen. Er hilft uns frei aus aller Not, die uns jetzt hat betroffen» (Martin Luther) erinnerten die Gottesdienstbesuchern stets an die vorhandene Spannung. Das Reich Gottes in seiner gegenwärtigen Form zeigt sich nicht in einem äusseren Gebilde von Macht und Stärke, Ruhm und Herrlichkeit, sondern darin, dass Christus ohne weltliche Macht mit Liebe, Barmherzigkeit und Gnade herrscht. In den Augen dieser Welt scheint ein solches Reich lächerlich und verachtenswert zu sein. Gottlose könnte dies zur Annahme verleiten, dass es ewig so bleiben wird (2Petrus 3,3-4). Dem halten Christen mit Anbetungsliedern entgegen. Sie weisen auf die herrliche, mächtige und vollendete Form von Gottes Reich hin, in dem der König aller Könige mit Macht und Herrlichkeit regieren wird. Dann wird es tatsächlich eine triumphierende, siegreiche Kirche sein. Auch diesen Aspekt dürfen Christen in ihren Liedern betonen – aber nicht nur. 

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