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PROFI-CHRISTEN?

«Weist die Nachlässigen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig mit jedermann!» (1. Thess 5,14).

Unsere Welt ist professionalisiert. Für praktisch jede Tätigkeit und jedes Wissensgebiet gibt es Experten. Die Berufsausbildung soll mit anerkannten Abschlüssen belegen, dass ein bestimmtes Fachgebiet gut gemeistert wird. Mit Zahnschmerzen gehen wir zum diplomierten Zahnarzt, das defekte Auto lassen wir vom erfahrenen Automechaniker reparieren, und im Flugzeug erwarten wir, dass der Pilot nicht nur unzählige Flugstunden absolviert hat, sondern auch eine offizielle Lizenz besitzt. Wir vertrauen den Profis. Amateuren überlassen wir das Feld höchstens in wenigen Nischen, wo Erfolg oder Misserfolg bedeutungslos sind. 

Professionelle Christusnachfolge?

Die Professionalisierung macht auch in den Kirchen nicht halt. Von Pastoren wird meist erwartet, dass sie ein Theologiestudium absolviert haben. Für die Seelsorge engagieren wir Fachleute der spezifischen Beratungsgebiete. Diakonische Angebote werden an externe Dienstleister mit der nötigen Fachkenntnis ausgelagert. Neue Mitglieder einer Musikband oder eines Chors durchlaufen ein strenges Casting. Das vielbeschworene Priestertum aller Gläubigen verwandelt sich in den kirchlichen Dienst einiger Profis. Aber müssen es Profis sein, die Nachlässige zurechtweisen? Experten, die Ängstliche trösten? Spezialisten, die den Schwachen helfen? Können nur Fachleute mit allen geduldig sein? 

Nein, dafür braucht es keine Profis! Paulus fordert diese Dienste nicht von ausgebildeten Fachleuten der Gemeinde. Alle Gläubigen sind gleichermassen gefordert, sich gegenseitig zu unterstützen. 

Einander die Lasten tragen geht ohne Expertenwissen

Neulich fragten mich Studierende, wann sie einen seelsorgerlichen Fall unter ihresgleichen an Profis weiterleiten sollten. Meine Antwort: «Es gibt kein seelsorgerliches Problem, bei dem ihr mit Gottes Hilfe euch nicht gegenseitig beistehen könnt.» Dies geschieht übrigens tagtäglich, meist unspektakulär bei informellen Gesprächen in den Zimmern, beim Essen oder bei einer Wanderung in der schönen Natur. In meinem Leben habe ich die besten Ratschläge und die hilfreichsten seelsorgerlichen Tipps und Hilfestellungen nicht von Profis erfahren. Oft reichten ein paar ermutigende Worte, manchmal auch nur eine kurze Umarmung oder ein anderer Ausdruck der Zuneigung und Anteilnahme von «gewöhnlichen» Christen, solchen ohne besondere geistliche oder seelsorgerliche Ausbildung. Ja, ab und zu war auch ein intensives Gespräch erforderlich. Aber dazu brauchte es keine Spezialisten. 

Damit rede ich nicht die Professionalität in gewissen Fachgebieten klein. Immerhin bilden wir selbst Leute theologisch aus! Fachwissen und Professionalität können auch im kirchlichen Dienst nützlich sein – ebenso eine Seelsorgeausbildung! Ich rede hier auch nicht von psychischen Problemen, die in die Hände von medizinisch geschultem Personal und Therapeuten gehören. 

Um ein Profi zu sein, genügen eine Ausbildung und natürliche Talente. Doch für den geistlichen Dienst brauchen wir auch Geistesgaben. Die Aktivität des Heiligen Geistes in und durch uns bildet den Kern unseres Dienstes in der Kirche. Für den geistlichen Dienst brauchen wir hingegen auch Geistesgaben. Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Bescheidenheit oder Selbstbeherrschung entstehen nicht aus einer menschlichen Professionalisierung. 

Am Schluss unseres Lebens werden wir wohl nicht unsere mangelnde Professionalität im christlichen Dienst bereuen, sondern wohl eher, dass wir einander nicht genug geliebt, ertragen, vergeben, getröstet, ermutigt, ermahnt, Gutes getan, die Lasten getragen haben und in Demut begegnet sind. Dazu müssen wir keine Profis sein, wohl aber unser Verhalten vom Heiligen Geist bestimmen lassen. 

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