Nach dem Tod seiner Frau hatte ein US-amerikanischer Farmer nachts einen Traum. Er sah mitten in der Wüste einen wunderbaren Garten. Da gab es Oliven- und Obstbäume, reife Trauben und zauberhafte Blumen. Inmitten dieses kleinen Paradieses bemerkte er ein Krankenhaus, in dem Beduinen gepflegt wurden. Was hatte das zu bedeuten? Sollte er diesen Traum als Hirngespinst abtun oder der Sache nachgehen?
Ein ausgewogenes Bild
«Träume sind Schäume», sagt ein altes Sprichwort. Damit bringt man die Bedeutungslosigkeit des Traums zum Ausdruck. Da ist sicher viel Wahres dran. Studieren wir aber die Bibel, stellen wir fest, dass sie nicht alle Träume in die Sinnlosigkeit verbannt. Träume werden differenziert beschrieben. Die biblische Ausgewogenheit sollte auch uns Christen vor Extremen bewahren. Gläubige, die praktisch jeden Traum als Zeichen
Gottes deuten, machen sich das Leben unnötig schwer und interpretieren nicht selten viel Unsinn. Andererseits verlieren Christen ihre Sensibilität für Gottes vielfältige Kommunikationswege, wenn sie Gottes Reden durch Träume völlig ausschliessen.
Träume als Schäume
Die meisten Träume fallen wohl unter die Kategorie «gewöhnlicher Traum». Wir sollten sie deshalb nicht überbewerten. Träume können uns nachts ängstigen und schweissgebadet erwachen lassen. So erlebte es zum Beispiel Hiob (Hiob 7,14). Was uns tagsüber intensiv beschäftigt, werden wir nachts im Traum verarbeiten. Für Salomo ist deshalb klar, dass die viele Geschäftigkeit während des Tages nachts Träume verursacht, denn letztlich sind diese nur die unterbewusste Verarbeitung der täglichen Erlebnisse (Prediger 5,2). Die Autoren der Bibel hüten sich deshalb, Theorien über die psychische oder religiöse Bedeutung von Träumen aufzustellen. Für sie sind die meisten Träume bedeutungslos, weil sie eine natürlich-menschliche Reaktion bedeuten. Wer immer Träume als Wegweiser Gottes interpretiert, sollte sich dieser Tatsache bewusst sein. Wer unter Reisefieber leidet, muss seine Ferien nicht kurzfristig annullieren, weil er unmittelbar vorher von einem Flugzeugabsturz oder einem Terroranschlag im Hotel träumt. Diese Auslegung könnte ihm umsonst erholsame Tage rauben. Die junge Frau, die völlig überraschend von einem Mann einen Heiratsantrag mit der Begründung erhält, Gott habe ihm im Traum gezeigt, dass sie die Auserwählte sei, sollte ganz cool reagieren. Ich würde ihr raten, diese fromme Begründung mit einem Korb zu beantworten – es sei denn, er ist der Mann ihres Herzens. Denn mal ehrlich: Welcher junge Mann träumt nicht irgendwann von der Frau, für die er schwärmt? Und wie viele Frauen waren schon froh, dass solche Träume nicht von Gott waren! Träume sind meist nur Spiegelbilder der eigenen Wünsche (Jesaja 29,8), sie sind flüchtiger und nichtiger Trug, vergehen mit dem Erwachen und man erinnert sich bald nicht mehr an sie (Psalm 73,20). So gesehen sind Träume nur Schäume (Hiob 20,8).
Gott spricht durch Träume
Es gibt jedoch auch Träume, durch die Gott den Menschen persönliche, politische oder heilsgeschichtliche Informationen zukommen lässt. In einigen Träumen teilt Gott dem Schlafenden die Botschaft unmissverständlich und direkt mit. Dabei redet Gott nicht nur zu den Gläubigen, sondern auch zu den Heiden durch Träume. Auf diese Weise wird Abimelech, der König von Gerar, gewarnt, mit Sarah zu schlafen (1. Mose 20,3-7). Gott ermutigt Jakob in Bethel durch einen Traum (1. Mose 28,10-19). Manchmal ist der Traum aber auch verschlüsselt. Die Symbolik der Bilder setzt unabdingbar voraus, dass entweder Gott durch einen Engel oder einen besonders bevollmächtigten menschlichen Ausleger denTraum deutet. So muss etwa Daniel den mit Symbolen codierten Traum des Königs von Babylon deuten und ihm die Zukunft seines Volkes offenbaren (Daniel 2). Daniel wiederum braucht himmlische Hilfe bei der Interpretation seiner Träume (Daniel 7 und 8). Im Neuen Testament kommt der eigentliche Traum mit positiver Beurteilung nur noch in den Evangelien vor. In einem Traum wird Josef die für ihn rätselhafte Schwangerschaft Marias erklärt (Matthäus 1,20). Später erhält er im Traum die Anweisung, nach Ägypten zu fliehen (Matthäus 2,13) bzw. sich in Galiläa niederzulassen (Matthäus 2,22). Pilatus’ Frau bekommt in einem Traum Informationen über die Person Jesu, die sie in Angst und Schrecken versetzen (Matthäus 27,19).
Wegweisung durch Visionen und Nachtgesichter
Wahrscheinlich sollten wir die so genannten «Nachtgesichter» oder «Visionen» von den Träumen unterscheiden. 4. Mose 12,6 scheint jedenfalls auf einen Unterschied zwischen Träumen und Visionen aufmerksam zu machen. Daniel wiederum empfing seine Visionen in einem Traum (Daniel 7,1.2.7.13). Auf die gleiche Weise scheint Paulus den Befehl empfangen zu haben, seine Reise nach Europa fortzusetzen (Apostelgeschichte 16,9). Ähnlich waren auch die verschiedenen Zusprüche Gottes, mutig das Evangelium zu verkündigen (Apostelgeschichte 18,9; 23,11). Visionen wurden also teilweise im schlafenden Zustand empfangen, teilweise aber auch bei vollem Bewusstsein gesehen. Hierbei handelt es sich um ein Ereignis, in dem etwas klar und glaubwürdig in den Gedanken erscheint. Diese «Sicht» ist zwar göttlichen Ursprungs, setzt aber das Bewusstsein nicht ausser Kraft. Solche Mitteilungen finden wir im Neuen Testament häufig. Dies ist auch nicht erstaunlich, werden sie doch im Alten Testament als Offenbarungsmittel Gottes für die neue Heilszeit verheissen (Joel 3,1). Johannes empfing so seine Botschaften, die er uns in der Offenbarung mitteilt. Paulus sah auf diese Weise Hananias, wie er ihm die Hände auflegte, damit er wieder sehend würde (Apostelgeschichte 9,12). In 2. Korinther 12,1-4 schreibt er von seinem Einblick in die himmlische Welt, der ihm mittels Vision gewährt wurde.
Träume als unmissverständliches Reden Gottes?
Kein Zweifel, Gott sprach und spricht in äusserst vielfältiger Weise mit seinen Leuten (Hebräer 1,1). Aber Träume nehmen dabei keine zentrale Rolle ein. Ganz im Gegenteil: Die Bibel warnt an verschiedenen Stellen vor den «Träumern», die fälschlicherweise behaupten, Offenbarungen Gottes empfangen zu haben (5. Mose 13,1-5; Jeremia 23,25f.). Judas und Paulus halten im Neuen Testament den Gläubigen überhebliche und heuchlerische Menschen vor Augen, die sich auf Träume und Visionen berufen und dabei Gottes Volk verführen (Kolosser 2,18; Judas 8). Der Teufel versucht, Gottes Reden nachzuäffen, und Menschen fallen darauf herein, indem sie gewöhnliche Träume, emotionale Erlebnisse oder hormonelle Dissonanzen als Reden Gottes interpretieren und sich dabei auch noch wichtig vorkommen. Doch, wie in aller Welt sollen Christen echtes Reden Gottes, das auch in Träumen geschehen kann, von einer falschen Stimme unterscheiden können?
Wir müssen sensibel werden für das Reden Gottes! Gottes Kinder erkennen die Stimme ihres Vaters immer besser, wenn sie in täglicher Verbindung mit ihm leben, die Sünde meiden und tun, was dem Geist Gottes gefällt (Römer 8,14; Galater 5,18-22). Manchmal muss man jemanden oder etwas sehr gut kennen, um sein «Reden» zu deuten. Mein alter Opel Astra «sprach» auch regelmässig mit mir! Die quietschenden Radlager, die ratternden Stossdämpfer, der gurgelnde Tank, das gelegentliche Piepsen des Bordcomputers oder die flatternde Ölanzeige machten für mich als täglichen Fahrer durchaus Sinn, und ich wusste entsprechend zu reagieren. Als ich dieses Auto aber mal auslieh, erschrak die Fahrerin und wagte die Fahrt nicht fortzusetzen, weil sie das «Reden» des Autos falsch interpretierte und dachte, es fliege ihr gleich alles um die Ohren. Bleiben wir beim Vergleich mit dem Auto. Keiner verlässt sich bei der Fahrt auf ein einziges Instrument. So nützt es mir herzlich wenig, wenn ich weiss, dass der Öldruck stimmt, wenn ich nicht auch auf die Anzeige achte, die mir einen leeren Tank meldet. Ähnlich sollten wir es mit der Interpretation von Träumen halten. Zum einen sind Träume ein eher unwichtiges Instrument. Zum anderen sollten wir diese Anzeige ständig mit vielen anderen Instrumenten vergleichen. Wichtig ist zum Beispiel, was andere reife Christen darüber denken. Aber entscheidend ist, ob die Interpretation des Traums im Einklang mit der biblischen Lehre steht. In jedem Fall steht das geschriebene Wort Gottes über jeder fehlbaren Interpretation von Träumen (vgl. Galater 1,8-9). In Anlehnung an Paulus könnten wir sagen: Lieber fünf verständliche Worte der Bibel als zehntausend Worte eines Traumes! Übrigens: Der erwähnte Farmer erkannte seinen Traum als echte Botschaft Gottes, verkaufte seine Farm und wanderte in den Nahen Osten aus. Dort gründete er zusammen mit einer Ärztin und einer Krankenschwester ein Sanatorium für lungenkranke Beduinen. Das Grundstück sieht genau so aus wie in seinem Traum! Während eines Praktikums durfte ich dort erleben, wie Menschen körperlich und geistlich gesund werden. Wohl dem, der das Reden Gottes richtig versteht!