«Schon einen jungen Menschen erkennst du an seinen Taten; du siehst daran, ob er Charakter hat» (Sprüche 20,11)
Theologische Ausbildung ist mehr als Vermittlung von Wissen und Anleitung zur Praxis. Theologie zielt stets auf den Charakter eines Menschen, stellt den konkreten Bezug zum persönlichen Leben her. Dieser Aspekt kann bisweilen zu einer weit grösseren Herausforderung werden, als akademische Leistungen zu Papier zu bringen.
Heraus aus der Komfortzone
Trends in der Ausbildung bilden derzeit Fern- oder Teilzeitstudien – besonders in der Theologie. Mit dem Laptop auf dem weichen Sofa lassen sich Vorträge weit gemütlicher verfolgen als auf harten Stühlen im Klassenzimmer mit 20 anderen Studierenden und deren Schweissgerüchen. Mittels Chatfunktionen und Kamera lässt sich sogar bequem mit Dozierenden und den Mitstudierenden aus aller Welt diskutieren, ohne dass diese einen durch ihre Launen und Allüren nerven. Selbst mit einem Teilzeitstudium kann man in der gemütlichen Komfortzone der alten Freunde, der geliebten Arbeitsstelle und der Kirche, die man jahrzehntelang besucht, verweilen. Bekanntes und Gewohntes sind der Menschen Lieblinge, aber damit auch wenig inspirierende Automatismen, Einförmigkeit, Betriebsblindheit und geistige Engführung. Wer sich einmal in der Behaglichkeit eingelebt hat, wechselt erfahrungsgemäss nur selten in die vollzeitliche Kirchen- oder Missionsarbeit. Die Bequemlichkeit zu verlassen, kostet Überwindung, führt aber zu einer wertvollen Lebenserfahrung.
Hinein in Gottes Lebensschule
Unsere Studierenden haben den Absprung gewagt. Sie verliessen ihre Komfortzonen und stürzten sich hinein ins Abenteuer «Gottes Hochschule». Mit ihrer Ankunft in Beatenberg
- müssen sie sich neue Freunde suchen und einer neuen Gemeinde anschliessen,
- neben dem Studium acht Stunden pro Woche zum Teil sehr ungewohnte und teilweise auch nervtötende Arbeiten verrichten – auch an Wochenenden,
- mit vielen Personen aus verschiedenen Nationen, unterschiedlichen kirchlichen Hintergründen und Ansichten zusammenleben und studieren,
- Gelerntes in Kirchen im In- und Ausland in Praktika und regelmässigen Diensten unter Beweis stellen,
- in Mentoringbeziehungen über ihr geistliches Leben Rechenschaft ablegen,
- Verantwortung in Teams übernehmen.
Veränderung ist nicht immer bequem, doch was unsere Studierenden damit gewinnen, ist unbezahlbar: inspirierende Begegnungen und neue Freundschaften fürs Leben. Horizonterweiterung durch die Mitarbeit in Kirchen ganz anderer Kulturen und Sprachen. Anregende Ideen für die Gemeindearbeit. Frische Evangelisationsmethoden. Ungewohnte Predigtstile. Neue, berührende Lebensformen. Durchhaltewillen trotz Arbeits- und Studienstress oder zwischenmenschlichen Konflikten. So wird Theorie definitiv zur Praxis. Akademische Wahrheit fliesst ins reale Leben hinein. Das Experiment Leben auf dem sbt-Campus bildet christliche Charaktere aus, die sich hoffentlich durch eine hohe Sozialkompetenz und Dienstbereitschaft auszeichnen.