«Ich fürchte nicht die Stärke des Islam, sondern die Schwäche des Abendlandes. Das Christentum hat teilweise schon abgedankt. Es hat keine verpflichtende Sittenlehre, keine Dogmen mehr» (Peter Scholl-Latour).
«Eine Religion, die nicht mehr den Mut aufbringt, für sich die Wahrheit in Anspruch zu nehmen, gibt sich selbst auf» (Thomas Hürlimann).
In der Debatte um die sogenannte Islamisierung Europas bemühen Politiker regelmässig den Begriff «christliches Abendland». Immigranten, Flüchtlinge und Asylanten fremder Religionen, besonders des Islams, werden als Bedrohung für unsere abendländische Kultur und Religion angesehen. Doch sind sie das tatsächlich? Wohl kaum, denn nicht die eingewanderten Moslems, sondern die unzähligen Pseudochristen, die entweder funktionale Atheisten sind oder sich ihren eigenen esoterischen Glauben basteln oder den christlichen Glauben mit politischen Ideologien verwechseln, zerstören in unserem Kulturkreis das Christentum. Wenn Politiker vom christlichen Abendland reden, dann meinen sie doch meist nur Kirchtürme, Glockengeläut, Gipfelkreuze, eine Präambel mit Gottesbezug in der Bundesversfassung oder zu Weihnachten ein Krippenspiel. Als bezaubernde christliche Folklore, als Unterhaltung mit Klimbim an Feiertagen ist die Kirche ja ganz lustig und willkommen. Aber mit dem christlichen Glauben hat das alles wenig bis nichts zu tun.
Christentum ohne Christus
Die meisten Christen haben das Zentrum des christlichen Glaubens, Jesus Christus als Sohn Gottes, längst über Bord geworfen. Jesus war, wenn er denn überhaupt gelebt hat, ein ziemlich erfolgloser Revoluzzer, mit dem die Römer kurzen Prozess machten. Schon längst ist Jesus im Grab verrottet – und mit ihm auch seine bizarre Lehre von Schuld und Sühne. Den eigentlichen Inhalt des christlichen Glaubens, die Versöhnung des heiligen Gottes mit dem sündigen Menschen durch die stellvertretende Todesstrafe und Auferstehung des Christus hält man im günstigsten Fall für irrelevant, meist jedoch für hirnrissig und schlicht inakzeptabel. Wenn man in unserer Gesellschaft noch ein christliches Fähnlein aufrecht hält, dann höchstens in Form von etwas Moral und Nächstenliebe – wobei sich dann doch keiner daranhalten mag.
Die Misere zum Guten wenden
Nein, die Moslems sind nicht schuld an unserer Misere. Schuld ist das christliche Abendland selbst. Christen, die sich in den weltanschaulichen Hauptfragen hemmungslos dem Zeitgeist anpassen; die Gottes Wort bis zur Unkenntlichkeit sezieren und als belangloser Mythos definieren; die sämtliche christlichen Überzeugungen für erledigt erklären; die Gottes Wahrheit relativieren; die Moral und Weltverbesserung statt Gnade und Rechtfertigung durch Glauben predigen; die Evangelisation als Angriff gegen die Menschenrechte verdammen; die an altväterischen Bräuchen kleben, statt die Dynamik des Glaubens leben. Den Niedergang des christlichen Abendlands halten wir nicht auf, wenn wir in Gleichgültigkeit, Trägheit und Selbstgenügsamkeit verharren oder einfach nur unsere Zeit bejammern. Gottes Reich wird gebaut, wenn die Christusnachfolger mit Menschen aller Rassen, Kulturen und Religionen ins Gespräch kommen und ihnen in der Kraft des Heiligen Geistes und im Vertrauen in die Wahrheit von Gottes Wort unerschrocken, überzeugend und begeistert erklären, wie sie Frieden mit Gott finden können.