«Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen» (Epheser 5,19).
Biblische Theologie befasst sich auch mit Musik. Musik nimmt in unserer Welt einen enormen Stellenwert ein. Die bekanntesten Stars sind Musiker. Den grössten Umsatz generiert die Musikindustrie (mal abgesehen vom Pornogeschäft). Geben weltberühmte Sänger ein Konzert, sind die 45‘000 Tickets für das Stade de Suisse innerhalb von 12 Minuten verkauft! Nichts überschreitet Grenzen, Kulturen und Sprachen so schnell wie Musik. Wir hören eine Melodie ein einziges Mal und erinnern uns ein ganzes Leben daran – was bei einer Predigt leider nicht der Fall ist! Musik ist eben mehr als Noten auf dem Papier oder Schallwellen in der Luft.
Wo Worte allein nicht reichen
Paulus bricht oft in einen Lobpreis aus, wenn er mit seinem brillanten Verstand an Grenzen stösst. So etwa im Anschluss an seine beeindruckenden Ausführungen zur Souveränität Gottes in Römer 11. Weil ihm die menschlich-logischen Argumente fehlen, bleiben ihm nur noch Lobpreis und Anbetung oder trendiger ausgedrückt: Worship. Es gibt nun mal dogmatische Aussagen, die können wir nicht nur mit dem Intellekt verarbeiten, da braucht es vielmehr die Sprache des Herzens. Nicht wer alles über Gott weiss und versteht, ruft «heilig, heilig, heilig ist Gott, der Herr», sondern wer von Gottes Herrlichkeit überwältigt wird. So mag denn auch ich oft nur noch in ein Gotteslob einstimmen, wenn mir theologische Einsichten fehlen. Aber manchmal – und da will ich ehrlich sein – ist mir mehr nach Klagen und Jammern zu Mute.
Wir sind noch nicht im Himmel
Während ich in einem Gottesdienst Lied um Lied mitsinge, fällt mir auf: Wir sind ja schon am Ziel. Da gibt es nur noch Sieg, Jubel, Begeisterung, Herrlichkeit, Geniessen und mit verzückten Gesichtern in der Liebe Gottes versinken. Doch am Montag versinke ich in Arbeit, Stress und manchmal auch in düsteren Gedanken. Dann wird schnell klar: Ich lebe immer noch mitten in dieser Welt. Eines der wenigen Lieder, das uns textlich nicht in den Himmel entrückt, beschreibt dies so: «Wir gehören zu dir und doch sind wir noch hier. Zwischen Himmel und Erde leiden wir an Zerrissenheit auf dem Weg zu dir – in dieser Zwischenzeit.» David fühlte sich sicher auch nicht im Himmel, wenn er im «finsteren Tal wanderte» und Asaf wusste, was Zerrissenheit in dieser Welt bedeutet, als er am Wohlstand der Gottlosen verzweifelte. Manchmal ist uns eher die vorwurfsvolle Frage auf den Lippen «Warum, HERR, bist du fern, verbirgst dich in der Zeit der Not?» (Ps 10) als das begeisterte «Ich liebe dich mehr als das Leben». Vielleicht sollten wir von den Psalmisten lernen, dass zum Loben auch Klagen gehört – und dass wir noch nicht im Himmel sind.
Singt Gott neue Lieder
In der Bibel ist viel von neuen Liedern die Rede. Weshalb nicht auch mal neue Texte in deutscher Sprache? Nachdem die Kirche das unverständliche Latein aus den Gottesdiensten verbannt hat, kommt das für 80% der Gottesdienstbesucher mehr oder weniger unverständliche Englisch durch die Hintertür herein. Als Dozenten eines theologischen Seminars, die die Bibel lehren, träumen wir von guter Musik. Wir wünschen uns Lieder mit intelligentem und dogmatisch ausgewogenem Inhalt, Texte und Melodien, die auch Männer singen können, Abwechslung im musikalischen Repertoire, das von der Klassik über Jazz bis zum Rap reicht und sich nicht nur in süsslich triefender Emotionalität und ewig gleicher Melodie verliert, Emotionen, die unser Denken nicht ausschalten, aber den Verstand des Herzens voll zum Ausdruck bringen. Himmlische Musik also, die etwas anders klingt, als Mark Twain sie einst beschrieb:
«Dieser universale Gesang ist weder unerwartet noch zwanglos noch wird er durch Ruhe unterbrochen. Er geht weiter und weiter, den ganzen Tag, jeden Tag zwölf Stunden lang. Der Gesang besteht nur aus Lobgesängen, nein, nur aus einem einzigen Loblied. Stets die gleichen Wörter, es sind höchstens zwölf an der Zahl. Da ist weder Reim noch Poesie erkennbar! Hosanna, hosanna, hosanna, HERR, Gott Zebaoth, Rah! Rah! Siss! Boom! – Ah!» Vor über 100 Jahren scheint’s musikalisch nicht viel besser getönt zu haben als heute.
Das Ziel bleibt, mit guter Musik den Menschen einen Vorgeschmack auf den Himmel zu geben, denn der Himmel wird ganz anders sein als der langweilige Ort, den viele sich vorstellen! Trostlos ist nur die Hölle, denn ihre einzige Melodie ist Heulen und Zähneklappern! Musik dagegen steht wie ein Paradigma für alle Aktivitäten im Himmel. Da ist Kreativität und Lebensfreude pur! Jesus, der grosse Konzertmeister, findet uns völlig verstimmt und ausser Takt – und macht aus uns ein harmonisches Orchester. Das ist Gnade!