In einer der regenreichsten Region unserer Erde, im Nordosten Indiens, wachsen Brücken über die Flüsse. Das geschieht jedoch nicht von alleine, sondern weil fachkundige Menschen die Wurzeln der Gummibäume so flechten, dass diese mit der Zeit die Gewässer überspannen. Diese einzigartige Kunst des Brückenbaus braucht sehr viel Zeit. Über mehrere Generationen hinweg erklären Eltern ihren Kindern, wie sie die Wurzeln bearbeiten müssen, damit diese nach und nach über den Fluss wachsen. Meist können erst die Enkel oder Urenkel vom Fleiss und der Weitsicht ihrer Vorfahren profitieren.
Weitsichtiges Planen
Der schnelle Erfolg ist mit dieser Art des Brückenbaus nicht zu machen. Wer immer ein solches Projekt startet, profitiert nicht persönlich davon. Er baut für seine Nachkommen. Ein kurzsichtiger Mensch sagt sich: «Ich fange erst gar nicht an, eine Brücke zu bauen, weil ich nie über sie gehen werde.» Mit dieser Haltung wäre die Überquerung der gefährlichen Flüsse bis heute nicht möglich. Es ist die Weitsicht der Menschen, die den langfristigen Nutzen bringt. Ähnliches gilt für den Bau von Gottes Reich. Wer nicht langfristig plant und arbeitet, wird keine grossen Ziele erreichen. Bei der Arbeit im Weinberg Gottes geht es nicht nur ums Ernten, zuvor muss gepflanzt und gepflegt werden. Wie beim biologischen Brückenbau fangen wir an, die noch kleinen und zarten Wurzeln in Richtung Ziel auszulegen. Dabei sehen wir zu, wie diese von Jahr zu Jahr länger und stabiler werden. Aber auch nach einigen Jahren befinden sie sich immer noch in der Nähe des Ufers. Natürlich würden auch wir gerne am direkten Erfolg teilhaben und über die vollendete Brücke schreiten. Doch Gott hat den Auftrag gegeben, zu säen. So flechten wir weiter Wurzeln an vielen Stellen des wilden Flusses, damit diese irgendwann zu einer sicheren Brücke heranwachsen.
Nachhaltige Wirkung
Einige Wurzelbrücken sind schon 500 Jahre alt. Generationen, die ihre Vorfahren längst nicht mehr kennen, profitieren vom Weitblick und Fleiss ihrer Ahnen. Die Erbauer der Brücken sind längst gestorben, aber die Wirkung ihrer genialen Arbeit ist so nachhaltig, dass sogar moderne Brückenbauer darüber staunen. Die Wurzelbrücken, die Einheimische lebendige Brücken nennen, halten selbst verheerendem Hochwasser und starker Strömung stand. Die Grundlagen wurden so gut gelegt, dass diese Bauwerke eine enorme Stabilität besitzen. Dank ihrem lebendigen Material, mit dem sie gebaut werden, passen sie sich der Natur dynamisch an. Dies im Gegensatz zu den zahlreichen in ein paar Wochen aus totem Material gezimmerten oder betonierten Flussüberquerungen, die praktisch bei jedem Hochwasser weggeschwemmt werden. Kirchliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist der Bau von lebendigen Brücken. Sie braucht Zeit und Geduld. Aber sie ist nachhaltig wie kaum etwas. Sind die Grundlagen einmal gelegt, wachsen die Wurzeln kontinuierlich dem Ziel entgegen und halten vielen Stürmen stand. Junge Leben werden tiefgründig verändert und als Brücken gewoben, die zu Gott hinführen.