„Sehen Sie mich im Verkündigungsdienst?“, fragten jeweils junge Menschen den weltbekannten Prediger Spurgeon. Dieser pflegte zu antworten: „Wenn du irgendetwas anderes tun kannst, dann tue es!“ Den Einwand, er bilde an seinem Seminar viele Prediger aus, die nicht von Gott berufen seien, widerlegte er so: „Unser Predigerseminar ist ein Karrierevernichtungs-Institut.“ Herrschte diese Philosophie an unseren theologischen Ausbildungsstätten, wäre dies wahrscheinlich für das Reich Gottes genauso wenig hinderlich wie damals.
Als von Gott Berufene predigen
Unzähligen Theologiestudenten wird eingeredet, die Ausbildung, die besondere Redegabe oder die Liebe zu den Menschen bevollmächtige sie automatisch zum Predigen. Unsere titelverliebte Gesellschaft lässt uns glauben, dass akademische Grade und Gottes Bevollmächtigung identisch seien, ganz nach dem Motto: je höher der Abschluss, desto grösser die Vollmacht. So sind viele Prediger überzeugt, sie seien Gottes Boten, nur weil sie hinter der Kanzel stehen. Dabei warnt uns die Heilige Schrift an zahlreichen Stellen vor selbsternannten Propheten und Lehrern. Weder die Kanzel noch die Ausbildung noch irgendwelche Titel oder natürliche Gaben geben uns das Recht und die Vollmacht, Gottes Wort zu verkündigen. Diese entspringen einzig und allein aus der Berufung Gottes und dem Lebensstil, der sich an Gottes Willen orientiert. So ist der höchste Titel, den ein Prediger anstreben kann das „VGA“ – von Gott anerkannt. Wer aber von Gott berufen ist, der ist ohne Kanzel wie ein Fisch ohne Wasser.
Wirkungsvoll und wahr predigen
Nicht schöne und gescheite Worte, professionelle Unterhaltungsprogramme, psychologische Tricks oder ausgefuchste Marketingmethoden bewirken Glauben, sondern einzig Gottes Geist. Paulus mahnt: „Meine Botschaft und Verkündigung war nicht Überredung durch gewandte und kluge Worte, sondern war mit dem Erweis von Geist und Kraft verbunden, damit sich euer Glaube nicht auf Menschenweisheit stützte, sondern auf die Kraft Gottes“ (1Kor 2,4-5). Dazu gehört auch die Überzeugung, dass die Bibel für unser geistliches Leben völlig ausreicht. Das einzig absolut befriedigende Buch, das je über das Glaubensleben geschrieben wurde, ist die Bibel. Für eine lebendige Beziehung zu unserem Gott brauchen wir nicht die Unterstützung säkularer Wissenschaften, sondern das Bibelstudium.
Ist die Predigt nicht tief in der Wahrheit Gottes, der Bibel, verankert und entspringt sie nicht einer gründlichen Exegese, bleibt sie geistlich gesehen wertlos. Und eine Predigt, die nicht Jesus als unseren Herrn und Retter und das Wirken des Heiligen Geistes im Zentrum hat, verkommt zur erdrückenden Moralpredigt (1Kor 2,2). Wer die Wahrheit Gottes vertritt, lehrt mit Sicherheit nicht nur ein paar Lieblingstexte der Bibel. Klar, jeder will von Gott geliebt werden, in den Himmel kommen, ein glückliches Leben führen, Depressionen loswerden und gesund sein. Aber ist damit alles gesagt? Die einseitige Verkündigung des Evangeliums führt zu Totgeburten. John Stott bringt es auf den Punkt: „Niemand hat das Evangelium je geschätzt, bevor ihm das Gesetz Gottes offenbart wurde. Nur in der tiefschwarzen Nacht beginnen die Sterne zu leuchten, nur auf dem tiefschwarzen Hintergrund der Sünde und des Gerichts leuchtet das Evangelium hell.“ Zur Wahrheit gehören also nicht nur Liebe und Vergebung, sondern auch Gerechtigkeit und Gericht.
Lebensrelevant predigen
Martin Luther schrieb: „Ein Prediger sollte so verkündigen, dass die Gemeinde am Ende seiner Predigt festhält: Das sagte der Pfarrer!“ Hand aufs Herz: Wissen Sie noch, was am letzten Sonntag gepredigt wurde? Eine Predigt kann nie deutlich genug sein. Weshalb alles schummerig umschreiben, was man unmissverständlich in einem Satz sagen kann? Viele Prediger sind der Meinung, die Anwendung für den Zuhörer ergebe sich automatisch aus der Erklärung des Wortes Gottes. Die Propheten und Apostel der Bibel waren da anderer Meinung. Nathan wies den Ehebrecher und Auftragsmörder David mit einer rührseligen Geschichte zurecht. Diese Predigt wühlte den König Israels emotional auf. Aber David hörte zu wie die meisten Gottesdienstbesucher unseres Jahrzehnts: die Botschaft gilt für die anderen. Erst der Satz „du bist der Mann!“ machte alles klar. Jesus konnte einem jungen Mann lang und breit die Bedeutung der Gebote Gottes erklären. Doch erst die konkrete Aufforderung, „geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen“, führte zu einer Reaktion. Vom bekannten Evangelisten und Theologen Jonathan Edwards wird gesagt, er habe im ersten Teil seiner Predigten (bei der Textauslegung) die Kanonen in Stellung gebracht hat. Im zweiten Teil (bei der Anwendung) eröffnete er das Feuer und schoss aus allen Rohren. Viele Prediger sind heute so sehr mit der der Positionierung der Kanonen beschäftigt, dass sie am Ende keinen einzigen Schuss abfeuern. Die beste Anwendung einer Predigt ist immer noch der Satz: „Du bist der Mann/die Frau!“
Mit Begeisterung predigen
Wenn es um die Verteidigung langweiliger Rhetorik geht, weist man stets auf Paulus. Behauptete man nicht von ihm, seine Rede sei kläglich (2Kor 10,10)?, und schlief da nicht ein junger Mann ein, während er predigte (Apg 20,9)? Sicher, wer bis Mitternacht predigt, muss damit rechnen, dass einer weg döst. Das ist nichts Ungewöhnliches. Wenn aber alle anderen bis weit in die Nacht hinein zuhören, spricht das für eine spannende Rede. Kläglich hielten die Griechen Paulus‘ Rede, weil er sich nicht wie die damaligen akademischen Redner mit gewandten und klugen Worten ausdrückte. Nein, Paulus kümmerte sich nicht um rhetorische Finessen, die die Ohren bezaubern, aber nicht die Herzen erreichen. Er vermied alles, was seine Hörer hätte ablenken können, die Wahrheit des Evangeliums zu verstehen (1Kor 2,4). Der Inhalt war ihm wichtiger als die Verpackung. Aber mit Sicherheit predigte Paulus mit einer Leidenschaft, wie sie leider viel zu wenige Prediger besitzen. Wie kommt es, dass Hollywoods Schauspieler mit ihren Filmen ein Millionenpublikum in die Kinos und vor die Bildschirme locken, während die Kirchen leer bleiben? Dabei spielen die Filmstars nur erfundene Geschichten, während die Pastoren die ewige Wahrheit Gottes verkündigen. Vielleicht liegt der Unterschied darin, dass die Schauspieler die erfundene Geschichte so präsentieren, als wäre sie wahr, während die Prediger die Wahrheit so verkündigen, als wäre sie erfunden. Begeistert predigt nur, wer felsenfest von Gottes Wort überzeugt ist.