„Du sollst gegen deinen Nächsten nicht als falscher Zeuge aussagen“ (Exodus 20,16).
Eine US-Studie behauptet, dass der Mensch pro Tag 200-mal lügt. „Lügen macht klug“, stellt der Anthropologieprofessor Volker Sommer fest und Klaus Fiedler vom Psychologischen Institut der Uni Heidelberg schreibt: „Die meisten alltäglichen Lügen sind keine Verbrechen, sondern Zeichen der Rücksichtnahme gegenüber anderen“. Das wird sich auch Bill Clinton gedacht haben, als er am 17. Januar 1998 vor Millionen von Fernsehzuschauern betonte: „Ich hatte nie sexuelle Beziehungen zu Monica Lewinsky. Ich hatte nie eine Affäre mit ihr“. Auf den Tag genau sieben Monate später musste er das Gegenteil bekennen. Lügen scheinen tatsächlich das Leben zu vereinfachen und die Karriere zu fördern. Sowohl der US-Präsident Richard Nixon wie auch der Diktator Walter Ulbricht („Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“, behauptete er im Juni 1961, wenige Wochen vor dem Mauerbau in Berlin) bis hin zum kleinen Fälscher und Betrüger wie dem Hitlertagebuchfälscher Kujau: Sie alle benutzten die Lüge als Mittel zum Zweck. Lüge ist längst salonfähig geworden. Nicht wer lügt, sondern wer sich dabei erwischen lässt, ist der Dumme. Eine 18jährige Schülerin aus Deutschland bringt dies auf den Punkt: „Enttäuscht hat mich die CDU – weniger durch die Skandale als durch die Dummheit, alles ans Tageslicht kommen zu lassen“.
Das neunte Gebot will in erster Linie Falschaussagen bei Gerichtsprozessen verhindern. Es entspricht dem Gesetz Gottes, den Menschen in jeder Hinsicht zu schützen. Die Unwahrheit bei einem Gerichtsprozess zu sagen, zieht fatale Folgen nach sich. Unschuldige werden verurteilt, Verbrecher kommen frei. Im alten Israel wurde deshalb diese Angelegenheit sehr ernst genommen. Eine Anklage konnte nur auf Grund von mindestens zwei unabhängigen Zeugen erhoben werden. Wer bei Gericht falsche Zeugenaussagen machte, musste mit harter Strafe rechnen.
Aber die Anwendung dieses Gebots bleibt nicht im juristischen Kontext stehen. Die Bibel verbindet dieses Gebot mit der Lüge und dem Betrug allgemein. Wer lügt, tut das Werk Satans. Wer aber im Licht lebt, lügt nicht, „denn keine Lüge kommt aus der Wahrheit“ (1. Joh 2, 21). Lüge ist Gott ein Gräuel, denn sie steht im völligen Gegensatz zu seinem Charakter. Lüge schadet in jedem Fall der Beziehung zu Gott und Menschen.
Paulus drückt dies so aus: „Deshalb legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten! Denn wir sind untereinander Glieder“. Weil wir alle Glieder desselben Leibes sind, verursacht bereits die kleinste Fehlinformation eine funktionale Störung. Lügen sind wie Viren im gemeindlichen Betriebssystem. Ein Körper kann nur gesund sein, wenn die einzelnen Glieder (bzw. die Nerven) die richtige Information abgeben. Wenn ich die Hand ins Feuer strecke und die Nerven melden „kalt“, denn hat dies katastrophale Folgen. Der Leib Christi wird gebaut, indem wir die Wahrheit in Liebe reden (Eph 4,15).
Lügen sind deshalb nicht harmlos, weil sie helfen, das Gesicht zu wahren oder Konflikte zu vermeiden, wie viele Psychologen behaupten. Lügen machen das Leben auch nicht erträglicher oder sind ein Zeichen der Liebe, sondern zerstören die zwischenmenschlichen Beziehungen und damit die Einheit der Kirche.
Was wäre das für eine perfekte Welt, in der wir den Berichten und Bildern in Zeitung und Fernsehen glauben dürften, die Wissenschaft uns nicht hinters Licht führte, Verträge hielten, was sie versprechen, Zeugenaussagen der Wahrheit entsprächen und selbst unter Christen Schwindeleien und kleine Flunkereien tabu wären!