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Sola Scriptura (geistliche Orientierung durch die Schrift allein)

Evangelische Christen haben ihr Wurzeln in der kirchlichen Reformation Anfang des 16. Jahrhunderts. Dankbar schauen sie auf ihr theologisches Erbe zurück. Zu den bekanntesten Bekenntnissen der Reformation, das dieser Glaubensrichtung ihre eigentliche Form gab, gehört: «sola scriptura» – allein die Schrift. 

Fakten oder Behauptungen

«Postfaktisch» lautete das Wort des Jahres 2016. Der Begriff bedeutet, dass nicht Fakten zählen, sondern Emotionen und Täuschungen. Das postfaktische Gesicht in den Medien entspricht nicht der Realität, weil Falten und graue Haare mit entsprechender Software wegretuschiert wurden. Fakten im politischen Wahlkampf sind schwierig zu vermitteln und interessieren auch kaum einen. Mit abstrusen Behauptungen, Verschwörungstheorien und sogenannten «alternativen Fakten» lassen sich weit mehr Wähler mobilisieren. 

Im Mittelalter befand sich die Kirche theologisch gesehen in einer ähnlichen Situation. Gewiefte Kleriker fanden eine geniale Lösung für die finanziellen Schwierigkeiten des brandenburgischen Kurfürsten Albrecht. Sie verkündeten, durch den Kauf von Beichtbriefen könnten sich die Gläubigen einmal im Leben und einmal in Todesgefahr die Seligkeit versichern. Die eine Hälfte der Einnahmen erhielt Albrecht, die andere ging direkt nach Rom. Der Himmel wurde käuflich und das Evangelium der Gnade Gottes ins Gegenteil verkehrt. Doch die Gottesdienstbesucher glaubten’s und Rom konnte sich einen imposanten Dom leisten. Es gab, Gott sei Dank, aber Christen, die nach theologischen Fakten suchten und sie in der Bibel fanden. Martin Luther stellte die christliche Welt auf den Kopf, als er belegte, dass die Bibel vieles ganz anders lehrt als die damaligen Kirchenfürsten. 

Postfaktisch glauben

Im Gegensatz zu den Gläubigen des Mittelalters kann heute jeder Christ der westlichen Welt die biblischen Fakten in seiner Muttersprache lesen. Doch viele interessieren sich nicht mehr für Fakten, sondern folgen allein den Gefühlen. Der Abschied von der Bibel ist längst vollzogen. Exegetische Befunde und von der Bibel abgeleitete theologische und ethische Bekenntnisse und Richtlinien liegen nicht im Trend. In der Gottesbeziehung setzt man lieber auf die ganz persönliche und individuelle Erfahrung mit Gott. Ohne mit der Wimper zu zucken, nimmt man in Kauf, dass auch widersprüchliche Gottesvorstellungen und Lebenskonzepte als «christlich» durchgehen. Wenn der Massstab fehlt, wird auch das Evangelium relativ. Jeder und jede darf sich darunter vorstellen, was ihm oder ihr gerade am besten gefällt. 

Faktenorientierte Christusnachfolger

Martin Luther war nicht der Wegbereiter einer modernen, postfaktischen Zeit, in der jeder der Schmied seiner eigenen Wahrheit ist. Das wird ihm zwar manchmal nachgesagt, aber vielmehr führte Luther die Christen zur Bibel zurück. Sie allein soll unseren Glauben formen. Nicht persönliche Beliebigkeit und Wunschvorstellung, sondern die Schrift allein zählt in den Fragen unserer christlichen Lebensführung. Sich an der Heiligen Schrift zu orientieren, führt zu einer ständigen Reformation, sofern die Bibel tatsächlich als Wort Gottes akzeptiert wird. «Ecclesia semper reformanda est» (Die Kirche braucht ständige Erneuerung) nannten die Reformatoren das. Dies bleibt auch mein Ziel: Nicht nur Gottes Wort zu studieren und zu lehren, sondern mich täglich vom Erkannten formen zu lassen. 

Weshalb das Konzept Sola Skriptura entscheidend ist, findest du hier kurz und bündig erklärt (bist du nicht fit genug in Englisch, kannst du dir auf YouTube auch eine Übersetzung einblenden). Christian Essential – Mastering Reformed Theology Chapter 1.

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