„Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich nicht mehr Durst habe“ (Joh 4,15)
Kurz nach dem zweiten Golfkrieg absolvierte ich im Rahmen meines Studiums ein Praktikum in Jordanien. An einem siedend heissen Tag betonierten wir unter der glühenden Sonne den Vorplatz eines Hauses. Bei der trockenen Hitze spürten wir kaum, dass wir schwitzten. Doch am Abend war ich so durstig wie nie zuvor. Cola oder Mineralwasser waren nicht zur Hand. Also klemmte ich mich an den Schlauch, der zur Zisterne auf dem Dach eines Betriebsgebäudes führte. Mein Magen war mittlerweile immun gegen Bakterien. Ich trank und trank und trank, aber ich bekam nicht genug! Immer wieder setzte ich ab, um dann gleich wieder mit grossem Durstgefühl das Wasser in mich hineinströmen zu lassen. Ich hatte so etwas noch nie erlebt. Der Magen schien fast zu platzen; ich fühlte mich wie ein prallvoller Luftballon und konnte mich kaum bücken, doch das Durstgefühl verschwand nicht. Am Abend litt ich unter starker Übelkeit und Kopfschmerzen. Das übermässige Wasser liess meinen Natriumspiegel im Blut absinken und störte das Gleichgewicht der Elektrolyte. Ich litt unter einer sogenannten Hyponatriämie.
Ungestillter Durst
Jesus trifft in Samaria eine Frau, die am Mittag, ausgerechnet dann, wenn die Sonne im Zenit steht, am Dorfbrunnen Wasser schöpfen möchte. Jesus spricht sie an: „Jeder, der von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst haben. Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, der wird in Ewigkeit nicht mehr Durst haben“ (Joh 4,13–14). Wer könnte dieses Angebot ablehnen? „Gib mir dieses Wasser, damit ich nicht mehr Durst habe!“ (Joh 4,15) bittet die Frau Jesus. Sie führt kein erfülltes Leben. Sie hat vieles versucht und dennoch ihren Durst nach Erfüllung nicht stillen können. Jesus sieht diesen Durst. Sie hatte fünf Partner, und auch der, mit dem sie jetzt zusammenlebt, ist nur ein weiterer Versuch, endlich die Sehnsucht nach einem erfüllten Leben zu stillen.
Rund 700 Jahre vor diesem Ereignis macht Gott den Menschen folgenden Vorwurf: „Warum bietet ihr Silber für etwas, das kein Brot ist, und euren Verdienst für das, was nicht sättigt?“ (Jes 55,2). Menschen versuchen, sich ein erfülltes Leben zu kaufen. Aber wirkliches Leben erhalten sie trotzdem nicht! Sie können noch so viel Geld ausgeben, satt werden sie nicht. Praktisch jeden fünften Franken geben Herr und Frau Schweizer für Freizeitvergnügen aus. Die Aktivitäten, die uns eigentlich zufriedenstellen sollen, werden immer ausgefallener. Konventionelle Beschäftigungen befriedigen nicht mehr! Wir brauchen mehr. Wir brauchen den „Kick“, einen regelmässigen Adrenalinschub und werden süchtig nach mehr und noch mehr! Sucht ist wie Durst. Sexsucht, Fresssucht, Alkohol- und Drogensucht, Spielsucht, Habgier sind der Schrei nach einem Bedürfnis, das nicht gestillt wird. Mein Erlebnis in Jordanien lehrte mich diesbezüglich eine wichtige Lektion: Ich hätte mich mit Wasser umbringen können – und hätte doch meinen Durst nicht gestillt. So gibt es auch einen Lebensdurst, den kein Geld oder Vergnügen der Welt stillen kann.
Wasser des Lebens
Evangelisten hören manchmal den Vorwurf, sie würden nicht über Schuld und Sünde sprechen. Für einige mag das zutreffen, doch viele, die ich persönlich kenne, tun das sehr wohl. Sie beginnen jedoch bei den Symptomen unserer Gottentfremdung, die uns vom Leben trennt. Dieses Abgeschnittensein vom Leben macht sich bemerkbar im unersättlichen Durst nach Leben, nach Ewigkeit! Doch müssen wir auch über die Ursachen der Symptome sprechen. Schuld und Sünde trennen uns von Gott und damit vom Lebensspender. Nur wer mit Gott versöhnt ist, hat Zugang zur Quelle, deren Wasser ins ewige Leben sprudelt. Diese Menschen brauchen sich in den wenigen Jahren auf dieser Erde nicht nach Dingen zu verzehren, die den Durst doch nicht löschen. Sie werden ewig leben!